Nach dem Brexit: Werden Deutschland und Frankreich ihrer Verantwortung gerecht?

von Dr. Angelica Schwall-Düren

Vor der Entscheidung über Verbleib Großbritanniens in der EU oder Austritt war in Frankreich die Haltung ambivalent:

Bei einem Nein würden sich die Briten selbst mehr schaden als allen andern, war zu hören und zu lesen. Die britische Wirtschaft und die City würden mächtig zu leiden haben. Im Hinblick auf Frankreich war zu vernehmen, Finanzakteure würden ganz schnell Hunderte von Arbeitsplätzen von London nach Paris verlegen, sodass Frankreich letztendlich davon profitieren könnte.

Allerdings wurde durchaus auch die Furcht vor einem Domino-Effekt geäußert, der dann ein Riesenproblem für die gesamte EU wäre: die Niederlande und Dänemark könnten versucht sein, dem britischen Beispiel zu folgen.

Aber heute ist die “beruhigende” Nachricht zu vernehmen: die harte Haltung der EU, Großbritannien keine Konzessionen zu machen (“out” ist “out”) würde weiteren Sympathisanten für einen EU-Austritt den Appetit verderben!

Kein Wort zum in Frankreich verbreiteten EU-Skeptizismus! Noch vor zwei Tagen hatte Marine Le Pen in den Hauptnachrichten von TV2 verkündet, wenn die Briten für den Brexit stimmten, sei das eine Steilvorlage für den Front National, in Frankreich den Druck zu erhöhen, die EU in ein Europa der “Vaterländer” zu verwandeln, sprich: die nationalen Grenzen wieder hochzuziehen.

Ein einziger Kommentar war zu finden, in dem die Autorin (Cecile Ducourtrieux, Le Monde) sich über die Ursache der EU-Skepsis in Europa Gedanken macht: nämlich,  dass alle Mitgliedsstaaten zu feige gewesen seien, das gemeinsame Interesse der europäischen Bürger zu vertreten, so beispielsweise bei den TTIP-Verhandlungen, wo auch die französische Regierung lange geschlafen habe. Es wird die mangelnde Solidarität Deutschlands angesprochen und als Beispiele die Austritätspolitik(!), aber auch die deutsche Flüchtlingspolitik genannt. Frankreich wird Reformunwilligkeit vorgeworfen.

Auch in Frankreich sieht man, dass der Austritt Großbritanniens aus der EU die Weiterentwicklung der Gemeinschaft keineswegs einfacher macht. Frankreich und Deutschland müssten nun Verantwortung übernehmen und konsensuale Vorschläge unterbreiten, die den Zusammenhalt der EU stärken können.

Was dazu heute von führenden französischen Politikern und Politikerinnen zu hören war, lässt allerdings wenig Hoffnung aufkommen. Abgesehen von der klaren Ablehnung der EU durch rechtsextreme Nationalisten und linke Souveränisten, haben alle Politiker der rechten und linken Mitte nur Sprechblasen von sich gegeben: man müsse wieder mehr auf das Volk hören und den Nationen mehr zu ihrem Recht verhelfen!

Hollande will die europäische Verteidigungs- und Sicherheitspolitik stärken, beispielsweise müssten die Militärausgaben erhöht werden. Und genau dies hat vor wenigen Tagen auch Kanzlerin Merkel für den deutschen Haushalt gefordert!

Wird dies die europäischen Bürger stärker zusammen führen und von der EU überzeugen? Damit ist weder die Flüchtlingsfrage gelöst, noch die Infrastruktur  verbessert, noch in Nachhaltigkeit investiert, was als Wachstumsimpuls zum Erhalt und zur Schaffung von Arbeitsplätzen einen direkten Mehrwert für die Bürger in Europa bringen würde. Es ist höchste Zeit, dass die verantwortlichen linken Parteien in Europa dazu entsprechende Vorschläge machen!

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