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Anders und besser wirtschaften in Europa! Alternative Wirtschaftspolitik heute.

AndersUndBesser

Vortrag anlässlich der Verleihung des Jörg-Huffschmid-Preis 2017 am 6.12.2017 von Dr. Axel Troost

Zunächst möchte ich mich für die Gelegenheit bedanken, hier anlässlich der Verleihung des Jörg-Huffschmid-Preises sprechen zu dürfen. Wie einige hier im Saal sicher wissen, hat mich eine über 30-jährige persönliche Freundschaft und wissenschaftliche und politische Zusammenarbeit mit Jörg Huffschmid verbunden.

Ich werde in meinem ca. 25-minütigen Vortrag zunächst mit zwei Thesen zur heutigen Bedeutung von Wirtschaftspolitik beginnen, die ich dann in Richtung alternativer Wirtschaftspolitik in Europa zusammenführen. Im zweiten Abschnitt gehe ich dann darauf ein, wie alternative Wirtschaftspolitik heute konkret aussehen könnte und müsste. Am Ende richten wir den Blick dann noch mal etwas allgemeiner nach vorn.

Beginnen wir mit zwei Einstiegsthesen.

  • 1: „Die Chancen einer autonomen nationalen Wirtschaftspolitik waren nie schlechter als heute“
  • 2: „Die Notwendigkeit einer aktiven staatlichen Wirtschaftspolitik war nie größer als heute.“

Was zunächst wie ein unlösbarer Widerspruch klingt, lässt sich durchaus auflösen: Die Zeit autonomer nationaler Wirtschaftspolitik ist zwar vorbei, dafür ist die Zeit einer langfristig ausgerichteten transnationalen bzw. europäischen Wirtschaftspolitik umso mehr gekommen.

Die ökonomische Integration ist durch Globalisierung und insbesondere Europäisierung inzwischen so weit fortgeschritten, dass sich eine autonome Wirtschaftspolitik im Nationalstaat praktisch kaum mehr erfolgreich umsetzten lässt. Es könnte zwar theoretisch funktionieren, aber dafür müsste man die heutige und zukünftige Wirtschaftspolitik der Handelspartner genau kennen, müsste deren Auswirkungen antizipieren können und müsste dann die eigene Wirtschaftspolitik sehr vorausschauend – also quasi drei Züge im voraus – strategisch danach ausrichten.

Derart hohe Anforderungen sind praktisch nicht zu erfüllen, denn gute Wirtschaftspolitik braucht nun mal ein paar Jahre bis zum Erfolg und soweit kann niemand in die Zukunft schauen. In irgendeinem der wichtigen Handelspartner stehen immer gerade Wahlen mit ungewissem Ausgang an, es kommt irgendeine dem Kapitalismus nun mal innewohnende kleine oder größere Krise dazwischen oder ein bedeutsamer unerwarteter Umstand wie z.B. der Fall der Mauer oder eine Atomkatastrophe in Fukushima kommen dazwischen und mischen die Karten neu.

Die herrschende ökonomische Schule – also die Neoklassik – hat eine klare Antwort auf diese Situation: aufgrund der Komplexität und Unberechenbarkeit von Globalisierung und Europäisierung soll der Staat von strategischer Wirtschaftspolitik schlichtweg die Finger lassen.

Statt dessen sollen sich die Staaten im Inland und – über multilaterale Vereinbarung – auch im Weltmaßstab zu berechenbaren Spielregeln verpflichten, damit die Märkte unverfälschte Signale für die betriebswirtschaftlich richtigen Entscheidungen der privaten Unternehmen geben können.

Unterstellt wird dabei, dass Marktsignale – d.h. praktisch die Entwicklung einzelner Preise – die Komplexität wirtschaftlicher Entwicklungen soweit abbilden, dass die Unter-nehmen allein daraus die korrekten Richtungsentscheidungen für ihre Unternehmensstrategie ableiten können. Das ist ein immens hoher Anspruch an die Indikatorfunktion von Preisen bzw. Märkten, wenn man gleichzeitig bedenkt, dass das Niveau von Komplexität und wechselseitigen Abhängigkeiten angeblich zu hoch ist, als dass eine staat-liche Behörde daraus irgendwelche Schlussfolgerungen für eine eigene Wirtschafts-politik ableiten können soll.

Oder es ist die Annahme, dass staatliche Behörden grundsätzlich eher dumm und unfähig, private Unternehmenslenker hingegen zumindest zu einem erheblichen Teil besonders intelligent, kompetent, geradezu genial sind.

Um nicht missverstanden zu werden: Auch die herrschende neoklassische Wirtschaftswissenschaft wird von sich sagen, dass es so etwas wie Wirtschaftspolitik gibt und braucht, dass also staatlichem Agieren in Fragen der Wirtschaft eine große Bedeutung zukommt, gerade auch auf internationaler Ebene.

Gemeint sind damit aber multilaterale Abkommen, die das Handeln von Staaten gerade dadurch für Unternehmen berechenbar machen sollen, dass sich die Staaten wirtschaftspolitisch zum Nicht-Eingreifen, zur Nicht-Politik verpflichten, um den vermeint-lichen Marktkräften freien Lauf zu lassen.

Und tatsächlich: Wenn sich z.B. die Bundesrepublik erst einmal zur Mitgliedschaft in einer EU, einer WTO oder einem CETA entschieden hat, können nachfolgende Bundestagswahlen daran nur sehr schwer etwas ändern. Aus neoliberaler Sicht wird auf diese Weise ein wesentlicher Unsicherheitsfaktor des Wirtschaftsgeschehens, nämlich nationale Demokratie, weitgehend neutralisiert.

Um ein zweites Missverständnisse zu vermeiden: ich habe nichts grundsätzlich gegen Märkte. Marktpreise können wichtige Informationen geben. Wogegen sich aber die Anhänger einer alternativen Wirtschaftspolitik wenden ist die naive Allmachtsphantasie, mit der marktgläubige Ökonomen und Politiker die Möglichkeiten und Fähigkeiten von Märkten grandios überschätzen. Marktpreise geben mir im guten Fall eine hilfreiche Information über eine ökonomische Entwicklung bis zum jetzigen Zeitpunkt bzw. – gerade auf Finanzmärkten – über die Zukunftserwartungen von Marktteilnehmern. Märkte sind aber kein Orakel, dass die Zukunft kennt. Und noch viel weniger sind Märkte eine geeignete Richtschnur dafür, welche Zukunft man anstreben sollte.

Es ist wie mit dem Rückspiegel im Auto auf der Landstraße: auch der kann mir nur sagen, ob mir vielleicht ein oder mehrere Autos von hinten drauffahren werden, wenn ich hier und jetzt wie angewurzelt stehen bleibe. Der Rückspiegel verrät mir aber nichts darüber, ob vor mir eine Kurve liegt, selbst wenn die rückwärtige Straße völlig gerade verläuft. Das spricht nicht gegen den Rückspiegel, sondern nur dafür, dass man zum Autofahren auch eine Frontscheibe nach vorne braucht.

Das Bild von der Landstraße taugt auch noch in anderer Hinsicht ganz gut. Während die Neoklassik von nur einem möglichen Marktgleichgewicht – gleichsam einem einzigen Straßenverlauf nach vorne – ausgeht, unterstellt alternative Wirtschaftspolitik immer das Vorhandensein einer Vielzahl von Weggabelungen – bzw. erreichbaren Marktkonstellationen. Während die Neoklassik quasi nur eine Richtung kennt – und demnach auch keinen Bedarf nach strategischen wirtschaftspolitischen Entscheidungen sieht – braucht es in einer linken Ökonomie, sei sie nun eher keynesianischer oder marxistischer Art, immer ein Lenkrad für politische Entscheidungen, wohin an Weggabelungen und -kreuzungen gesteuert werden soll.

Zugespitzt ausgedrückt kann aus linker Sicht eine Laissez-Faire-Politik, also bildlich gesprochen der bewusste Verzicht der Neoklassik auf ein Lenkrad, nur im Graben oder am Baum enden.

Wenn ich also von Alternativer Wirtschaftspolitik spreche, meine ich einerseits die Rück-kehr zu einem zielgerichteten und längerfristigen Vorgehen des Staates zur Beeinflussung der Wirtschaftsentwicklung.

Andererseits meine ich damit aber eben auch automatisch eine mindestens europäisch gedachte Zukunftsperspektive, denn die Zeiten, in denen selbst Deutschland als wirtschaftlich stärkstes Land Europas eine nationale Wirtschaftsstrategie z.B. für seine Stahl-, Werften-, Agrar oder Chemieindustrie ohne Berücksichtigung seiner ausländischen Handelspartner und -konkurrenten ausdenken und umsetzen konnte, sind wirklich lange vorbei.

Alternative Wirtschaftspolitik meint also notwendig eine aktive und transnationale Politik. Kaum jemand hat diese Einsicht besser verkörpert als Jörg Huffschmid. Als viele linke Ökonomen in Deutschland nach der Wiedervereinigung noch primär über Wirtschaftspolitik im nationalen Rahmen gestritten haben, hat Jörg mit einigen Gleichgesinnten bereits 1995 die Europäische Memorandum-Gruppe ins Leben gerufen.

Der Titel des ersten Euro-Memorandums vor fast genau 20 Jahren im Jahr 1997 klingt daher wohl nicht nur für mich wie eine Prophezeiung. Er lautete „Vollbeschäftigung, sozialer Zusammenhalt und Gleichheit für Europa – Alternativen zur Wettbewerbs-Auste-rität“.

Damit komme ich zum zweiten Teil des Vortrags, nämlich der Frage:

 

Was aber genau meint dann Alternative Wirtschaftspolitik heute?

Das ist eigentlich gar nicht so schwer zu sagen, denn in wesentlichen Eckpunkten sind sich linke ÖkonomInnen relativ einig, was unverzichtbare Eckpfeiler einer alternativen, europäischen Wirtschaftspolitik sein müssen. Auch wenn die Situation und die Handlungsbedarfe in verschiedenen Ländern natürlich unterschiedliche Schwerpunkte erfordert, will ich auf vier Eckpfeiler eingehen:

  1. Öffentliches Investieren in Daseinsvorsorge und den sozial-ökologischen Umbau;
  2. Abbau außenwirtschaftlicher Ungleichgewichte;
  3. Domestizierung der Finanzsphäre und
  4. Aufwertung und demokratische Neubegründung der EU als Akteur.
  1. Öffentliches Investieren: Der dringend nötigen Renaissance des Öffentlichen – nicht nur des Staatlichen – entspricht in der alternativen Wirtschaftspolitik vor allem die massive Ausweitung der öffentlichen Investitionstätigkeit, und zwar in den unterschiedlichsten Bereichen. Das geht es sowohl um materielle Infrastruktur wie Straßen, Brücken, Hochschulen und Schulen, Kanalisation etc., aber auch Energie- und Datennetzen. Gleichzeitig bedarf es im Rahmen des sozial-ökologischen Umbaus auch immaterieller Investitionen in Bildung, in Gesundheit, in Pflege, in Inklusion. Und drittens – und keineswegs nachrangig – um die Verkehrs- und Versorgungsnetze, Bildung, Gesundheit und Pflege. Und es bedarf öffentlicher und öffentlich geförderter unternehmerischer Investitionen, in Deutschland z.B. massiv im Bereich des Wohnungsmarktes, d.h. einer groß angelegten Neubau- und Sanierungsoffensive alter und neuer öffentlicher Wohnungsbauunternehmen, die auf bezahlbares und sozial-nicht-trennendes Wohnen orientiert, also nicht nur billige Wohnsilos am Stadtrand errichtet. Bei dieser Initiative für „das Öffentliche“ geht es nicht nur um eine bessere und preisgünstigere Versorgung der Bevölkerung mit notwendigen Gütern. Diese Initiative muss zugleich ein Experimentierfeld neuer Formen der Partizipation und demokratischen Kontrolle sein, die quasi einen wirtschaftsdemokratischen Sektor in der Ökonomie schafft.
  1. Außenwirtschaftliche Ungleichgewichte abbauen: Wirtschaftspolitik – also europäische Wirtschaftspolitik – muss systematisch immer auch im Sinne ökonomischer Konvergenz gedacht sein, die nicht durch Marktkräfte, sondern in der Regel nur gegen Marktkräfte erreicht werden kann. Konvergenz bedeutet auch, dass alle Mitgliedsländer in der Wirtschaftsgemeinschaft – und umso mehr in der Währungsunion – einen angemessenen Anteil an der industriellen Gesamtproduktion beitragen. Industrielle Produktion – z.B. im Vergleich zu den meisten Dienstleistungen – bringt tendenziell immer höhere Produktivität und höhere Lohnniveaus mit sich. Es kann nicht sein, dass einige wenige Länder in der EU – so wie Deutschland oder die Niederlande derzeitige – quasi die industrielle Produktion für die gesamte Union übernehmen und dann ihre Produkte dem Rest der Union verkaufen. Die Folge sind nämlich dramatische Leistungsbilanzüberschüsse für Deutschland und Holland, die die anderen Partner der Union zum Hinnehmen von Leistungsbilanzdefiziten zwingen. Und chronische Leistungsbilanzdefizite verursachen immer Arbeitslosigkeit und führen früher oder später in die Überschuldung. Schon seit der Verabschiedung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes 1967 ist die Erreichung eines außenwirtschaftlichen Gleichgewichts ein wirtschaftspolitischer Auftrag an jede deutsche Bundesregierung. Leider haben die Bundesregierungen der letzten 50 Jahre diesen gesetzlichen Auftrag konsequent ignoriert. Der Auftrag ist aber heute aktueller denn je, denn mit der Schaffung des Euros wurden auch die letzten währungspolitischen Spielräume abgeschafft, um Leistungsbilanzungleichgewichte durch Währungsanpassungen abzufedern. Heute kann ein außenwirtschaftlichen Gleichgewichte in der Euro-Zone nur noch durch aktives Eingreifen in die Innovationsfähigkeit, in die Fiskalpolitik, in das Lohngefüge und in die Arbeitsmarktordnungen der Mitgliedsländer erfolgen.
    Und genau diese Eingriffe können entweder kooperativ und solidarisch erfolgen – oder die Anpassungslasten werden einfach den Schwächsten aufgebürdet. In der bisherigen Euro-Krise ist nur letzteres passiert, und an diesem Egoismus droht die EU nun aus-einander zu brechen. Länder wie Spanien, Portugal, Irland und Griechenland wurden zu Krisenländern erklärt, weil sie nicht nur der Ort der Krise, sondern auch die vermeint-lichen Verursacher der Krise seien.
    Eine solidarische, zukunftsfähige europäische Wirtschaftspolitik wird stattdessen darauf achten, dass durch öffentliche Förderung und gezielte Infrastrukturmaßnahmen neue Produktion und Innovation vor allem dort entstehen, wo die Not und die Arbeitslosigkeit regional besonders groß sind. Und sie muss Einfluss nehmen auf die Entwicklung der Löhne, der Produktivität und der Qualität der Arbeit.
    Und bitte keine Ausreden der Politik von wegen Tarifautonomie. Tarifautonomie ist eine historische Errungenschaft und muss verteidigt werden. Aber die Rahmenbedingungen, unter denen die Tarifparteien verhandeln, werden von der Politik gesetzt. Die ganze Agenda 2010 war nichts weiter als ein riesiger Eingriff der rot-grünen Bundesregierung ins deutsche Lohngefüge – zulasten der ärmeren Bevölkerungsgruppen in Deutschland UND zulasten Europas. Kein einzelnes Gesetzespaket trägt mehr Verantwortung für die Krise der Euro-Zone als diese deutsche Niedriglohn-Offensive.

 

  1. Domestizierung der Finanzsphäre: Eine erfolgreiche alternative Wirtschaftspolitik in und für Europa muss sich durch eine gemeinsames, geschlossenes Auftreten der europäischen Staaten auf den Finanzmärkten auf mindestens vier Ebenen auszeichnen:
    Das bedeutet erstens natürlich zunächst einmal eine deutlich stärkere Re-Regulierung der Finanzmärkte mit dem Ziel, den Finanzsektor und vor allem die großen Finanzkonzerne dramatisch zu schrumpfen und zu entmachten. Im Ergebnis hat die globale Finanzkrise die Großbanken nicht kleiner, sondern größer gemacht. Das Risiko von „Too big to fail“ und die Konzentration politischer Macht in der Hand privater Konzerne ist dadurch nur noch größer geworden.
    Die herrschende Politik hat seit 2008 durchaus erhebliche Schritte zur Regulierung eingeleitet, aber sie waren und sind allesamt vom Leitbild der gewinnorientierten börsennotierten Großbank geprägt. Gerade den kleinteiligen und nicht-gewinnorientierten Finanzunternehmen wie Genossenschaftsbanken und Sparkassen wurde und wird damit das Leben unverhältnismäßig schwer gemacht, obwohl gerade sie ein Vorbild für einen sehr viel weniger krisenanfälligen und für Entwicklung der Realwirtschaft viel nützlicheren Finanzsektor sein sollten.
    Zu einem europäischen Auftritt der Politik gegenüber den Finanzmärkten gehört zweitens auch eine gemeinschaftliche Kreditaufnahme (Stichwort Euro-Bonds), um als na-tionale Regierung nicht länger dem Erpressungspotential der Anleger ausgeliefert zu sein.
    Damit ist keine Vergemeinschaftung der Staatsschulden gemeint und natürlich muss es auch vernünftige Regeln für die Nutzung dieser gemeinsamen Kreditaufnahme geben. Aber es gibt keine politische Rechtfertigung dafür, dass Deutschland als einerseits großes und wohlhabendes Land und andererseits als wesentlicher Mitverursacher der Euro-Krise durch das extrem niedrige Zinsniveau in zwei bis dreistelliger Milliardenhöhe profitiert, während die ohnehin von der Krise schon hart getroffenen Länder für ihre Staatsschulden auch noch zusätzlich irre Risiko-Aufschläge zugunsten privater Gläubiger bezahlen müssen. Das ist nicht nur nicht-solidarisch, das ist schlicht asozial.
    Eine alternative europäische Wirtschaftspolitik gegenüber den Finanzmärkten darf sich aber drittens nicht nur auf Finanzunternehmen im engeren Sinne konzentrieren. Es geht vielmehr um eine generelle Zurückdrängung der finanzmarktorientierten Unternehmenskultur, also des gesamten „Shareholder-Kapitalismus“. Durch Änderung von Bilanzierungsstandards und Meldepflichten, durch eine Zurückdrängung kurzfristiger Aktien- und anderer Wertpapiergeschäfte – Stichwort Finanztransaktionsteuer – und durch die Stärkung der Mitsprache der Beschäftigten und der Öffentlichkeit müssen Unternehmensziele endlich wieder längerfristig ausgelegt und einseitige Kostenverlagerungen zulasten von Beschäftigten, Umwelt und Gesamtgesellschaft verhindert werden. Konkret ließe sich das auf europäischer Ebene z.B. durch gemeinsame Mindeststandards bei Mitbestimmung und bei Transparenz- und Veröffentlichungspflichten für Unternehmen in der EU befördern.
    Und es bleibt nicht zuletzt viertens die Arena der Geld- und Währungspolitik. Die Europäische Zentralbank hat sich in der Krise als die mit Abstand handlungsfähigste europäische Institution erwiesen. Was auch immer man von der Geldpolitik der EZB hält – und ich halte geldpolitisch (nicht als Mitglied in der Griechenland-Troika) ziemlich viel davon –, sie hat trotz eines recht restriktiven Mandats und trotz bisweilen starken politischen Gegenwinds aus einzelnen Mitgliedsstaaten nach anfänglichen Startschwierigkeiten recht pragmatisch und undogmatisch auf die globale Finanzkrise reagiert. Diesen Pragmatismus der Geldpolitik gilt es auszubauen und der EZB diesen neuen Pragmatismus auch ausdrücklich ins geldpolitische Mandat zu schreiben, um ihr so den Rücken gegenüber den privaten Finanzmarktakteuren zu stärken.
    Es ist sicher kein Zufall, dass wir hier im Jahr 10 nach Beginn der globalen Finanzkrise zwei Arbeiten mit dem Jörg-Huffschmid-Preis auszeichnen, die sich beide intensiv mit der Schnittstelle von Regierungspolitik einerseits und Geldpolitik von Zentralbanken andererseits auseinandersetzen. Die politische Steuerung des Geldes, samt der Beeinflussung seines Außenwerts als Wechselkurs, ist ein sehr mächtiges Instrument, dessen Durchschlagskraft sich erst dann zeigt, wenn es durch wirtschafts-, finanz- und sozialpolitische Maßnahmen der Regierungen flankiert wird. Mit Geldpolitik allein kann man bei expansiver Konjunktur- und Wachstumspolitik bestenfalls das Schlimmste verhindern, nicht aber das Gute schaffen.
  1. Nach den skizzierten drei Eckpfeilern „Öffentliche Investitionen“, „Abbau der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte“ und der „Domestizierung der Finanzsphäre“ will ich nun als viertem Pfeiler einer alternativen Wirtschaftspolitik noch auf die EU als Akteur selbst eingehen. Die Europäische Union und ihre Institutionen stehen zurecht massiv in der Kritik und auch innerhalb der Linken ist die Frage hoch umstritten, ob man diese EU „NUR“ radikal reformieren muss, oder ob es einen europäischen institutionellen Neuanfang geben muss.
    Wie wir zuvor festgestellt haben, kann eine erfolgreiche alternative Wirtschaftspolitik nur eine europäische Wirtschaftspolitik sein. Dann versteht es sich von selbst, die Forderungen nach einer wirtschaftspolitischen Alternative auch an die EU zu richten. Gefordert ist dafür nicht nur eine andere Politik der EU, sondern eine andere EU selbst.
    Zu den wichtigsten Elementen einer grundlegend anderen EU, in der eine wirtschaftspolitische Alternative überhaupt erst sinnvoll vorstellbar wäre, gehören:
  1. die Schaffung einer Zuständigkeiten der EU für eine wirksame Koordination der Wirtschaftspolitiken der Mitgliedsländer entlang der oben genannten drei Eckpunkte, begleitet durch die Einführung von Mehrheitsentscheidungen über viele wirtschaftspolitische Fragen in der Union,
  2. eine deutliche Vergrößerung des Budgets der EU, damit eine für diese Koordination zuständige europäische Institutionen – nennen wir sie mal europäische Wirtschaftsregierung oder europäische Wirtschaftsministerin – auch über eine hinreichend großen eigenen Finanzspielraum verfügt, mit dem sie eigenständige Projekte anschieben kann, mit denen sich gesamtwirtschaftlich etwas ausrichten lässt,
  3. Solche Forderungen nach Aufwertung und quasi einem Vertrauensvorschuss für die EU ist den Bürgerinnen und Bürgern – und insbesondere den EU-Kritikern – nur dann zu vermitteln und zuzumuten, wenn die EU selbst viel demokratischer wird und sie ein soziales Profil zurückgewinnt. Es bedarf daher einer Aufwertung des Europäischen Parlaments, das endlich das Recht zur Einbringung eigener Gesetzesinitiativen bekommen muss und viel weitgehendere Befugnisse gegenüber der Kommission erhalten muss. Ein sozialeres Profil erhielte die EU dadurch, dass sie in ihren Politikempfehlungen endlich aufhört, soziale Standards nach unten zu nivellieren, statt soziale Missstände zu benennen. Eine Zuständigkeit für die Koordina-tion der Sozialen Sicherungssysteme und langfristig eine europäische Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik können ein solches Profil der EU unterstützen. Es bräuchte daher auch zeitnah eines konkreten „europäischen Sozial-Leuchtturms“, der den Menschen hilft, sich Europa als Solidargemeinschaft vorzustellen. Ein Beispiel dafür könnte eine gemeinsame europäische Arbeitslosenversicherung sein, die es auch ökonomisch für einzelne EU-Länder unattraktiv macht, durch merkantilistische Politik einfach Arbeitslosigkeit ins EU-Ausland zu exportieren.
    Mit dem ungerechten und asozialen Konkurrenzgebaren in der EU, Stichwort „Steuerwettbewerb und Steueroasen“ muss dann natürlich ebenfalls Schluss sein. LuxLeaks, Panama Papers und Paradise Papers machen aber zugleich deutlich, wie weit wir von einem solchen Szenario entfernt sind.
  1. Last but not least wäre auch eine im Alltag der Bürgerinnen und Bürger erfahrbare Life-Style-Institution hilfreich. Nichts hat Europa für die Menschen erfahrbarer gemacht als die Freiheit des Reisens, sich in anderen Ländern Europas aufzuhalten, sei es nun aus berufliche Gründen, als Studium oder Praktikum im Ausland, oder einfach als Urlaubsreise. Wäre da nicht so etwas wie eine öffentliche europäische Eisenbahngesellschaft eine faszinierende Idee für eine gelebte Begegnungsinfrastruktur in Europa?

 

Abschluss und Ausblick

Damit will ich zum Ende kommen. Sicher gibt es über die vorgenannten Eckpfeiler einer alternativen europäischen Wirtschaftspolitik auch in der Linken viel Diskussionsbedarf in den Details und sicher auch den einen oder anderen größeren Dissens. Ich glaube aber, dass es eine bemerkenswert breite Einigkeit darüber gibt, dass nur eine derart breit angelegte Offensive und quasi Wieder-Erfindung des Politischen in Europa die derzeitige Krise zu überwinden vermag. Meine These als Ausblick lautet daher: „Europa muss ein soziales Europa werden, oder es wird als politisches Projekt auseinanderbrechen.“ Um aber Wohlstand für alle in Europa zu erreichen, braucht es starke politische Institutionen in Europa, die die Richtung vorgeben und dies nicht den Märkten überlassen.

Diese Institutionen müssen auf soziale Ziele verpflichtet sein und eine sehr viel demokratischere Mitwirkung der europäischen Bevölkerungen erlauben. Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral. Das gilt auch in Europa. Ohne eine Alternative Wirtschaftspolitik in der EU, die für Europa die Produktion UND die Verteilung eines keines-wegs nur materiellen Wohlstands sicherstellt, besteht keine Aussicht auf ein soziales Europa – und auf eine Europäische Moral, die den Kontinent längerfristig zusammenhält.

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Europäische Flüchtlingsintegration als gemeinsame kommunale Entwicklung

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Im Folgenden stellen wir ein Dokument in deutscher und englischer Fassung bereit, dass sich mit den Chancen eines positiven Anreizsystems für Kommunen zur Aufnahme von Flüchtlingen auseinandersetzt.

Kurzfassung/Abstract

The European Union desperately needs a realistic and human rights oriented border and migration policy. The present stage brings the EU in a dangerous dependency of the Turkish President Erdogan, presumes African countries as safe which are not clearly safe und supposes Northern African countries as possible migration-policy partners which are neither coherent states, nor safe nor observing minimal human rights standards.

The general political objectives to help overcoming the causes for migration, to support countries close to migration origins in hosting refugees and to realize the Europeanisation of the border regime are necessary but insufficient steps. The idea to “outsource” the migration control into countries outside the EU is not realistic in the long run. It also undermines the fundamental values of the EU. The present policy which implicitly and inevitably leads to a “Fortress” Europe scenario is already undermining our open societies and will create new internal borders.

By showing the possibilities to integrate refugees, cities and municipalities can help their national governments to fulfill their duties. This will have a positive impact on their mutual cooperation and communication.

A European funding tool for integrating refugees which cities and municipalities could apply for, would realize three objectives at once:

  1. Find a humanitarian solution for the settlement of refugees in Europe,
  2. Revive a European commitment by bottom-up citizen participation, and
  3. Start a decentralized sustainable growth initiative at local level to overcome unemployment.

The obstacles to overcome are:

  • To convince the national governments that this strategy is in their interest helping them to fulfill their legal and moral duties and to revive their economy;
  • To find simple and uncomplicated ways for financing the integration costs for cities and municipalities. Their own contribution could be financed for example by a cheap EIB credit;
  • To find ways to match the interests of the refugees and of the possibly welcoming municipalities so that the refugees would go there and stay.

The application of the municipalities should be as easy as possible but of course include minimal standards:

  • In order to reach a broad support within the cities the application should be prepared by a multi-stakeholder governance including politics, business and organized civil society;
  • it should include an integration strategy for the whole municipality;
  • it should include an anti-corruption strategy;
  • it should include a macro-economic idea for creating jobs and sustainable growth

In a longer perspective, the European Council should give the permission to create a trust fund attached to the EIB with a specific governance to control and at the same time make it easier to cities to apply for the financing of refugees and of necessary infrastructure.

In a shorter perspective, a pilot project could be launched by a group of European cities applying to integrate refugees according to this concept and therefore, asking for financing. This could be possibly managed within the frame of a “Union Action” as an extraordinary measure. The advantage would be to test the viability of this strategy and to start a visible European “revival” which would empower the citizens and strengthen their identification with the European Union by participation and common projects.

For more information and details please read the following full-paper or contact us via info@restart-europe-now.eu

European Refugee Policy (english)
Konzept für Richtlinien zur europäischen Flüchtlingspolitik (deutsch)

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Europa geht auch solidarisch

Europa geht auch solidarisch

von Klaus Busch und Dr. Axel Troost

Die in Europa um sich greifenden Re-Nationalisierungstendenzen sind aus politischen, ökonomischen und sozialen Gründen verhängnisvoll. Die Linke muss sich den Zerstörern der Europäischen Union in den Weg stellen.

Die Europäische Union (EU) ist schwer angeschlagen. Sie hat bis heute die nach der großen Finanzkrise einsetzende Eurokrise nicht überwunden. In der Flüchtlingskrise zeigt sie sich hilflos. Gegen die Nationalstaaten gelingt es ihr nicht, eine gemeinsame Migrationspolitik durchzusetzen. Die Austeritätspolitik war das falsche Mittel, um die Eurokrise zu bewältigen. Sie hat die ökonomischen und sozialen Ungleichgewichte in der Eurozone verschärft.

Die hoffnungsvollen Reformvorschläge der Europäischen Kommission aus dem Jahre 2011 („Blaupause“) zur Überwindung der Defizite der Maastrichter Konstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion sind versandet. Die im Juncker-Report von den fünf Präsidenten im Jahre 2015 vorgeschlagenen „Reförmchen“ sind nicht geeignet, die gravierenden Ungleichgewichte in der Eurozone zu korrigieren. Vor dem Hintergrund dieser ungelösten Probleme der EU werden die rechtspopulistischen Rufe nach einer Rückkehr zum Nationalstaat lauter, und auch in der europäischen Linken wird über die Auflösung der Eurozone und die Rückkehr zu nationalen Währungen gestritten. Das Brexit-Votum in Großbritannien zeigt, dass der europäische Einigungsprozess nicht unumkehrbar ist.

In unserer VSA-Flugschrift „Europa geht auch solidarisch – Streitschrift für eine andere EU“ stellen wir uns diesem Trend entgegen. Wir kritisieren sehr ausführlich die Eurexit-Position, also die Abkehr von der gemeinsamen Währung, und fordern sechs radikale Reformschritte, deren Umsetzung die Eurozone und auch die EU stabilisieren würden.
Im Gegensatz zu den Eurexit-Forderungen machen wir deutlich, dass das Europäische Währungssystem (EWS), welches vor der Einführung des Euro ein System fester, aber anpassungsfähiger Wechselkurse bildete, in keiner Weise als Vorbild betrachtet werden kann. Die Wechselkurse waren wegen verspäteter Anpassungen stark verzerrt, führten zu Ungleichgewichten im Außenhandel und luden die Finanzspekulation zu Attacken ein. Wegen dieser Verwerfungen ist das System schließlich faktisch zusammengebrochen.

Die Abkehr vom Euro gerade in den Staaten, die eine hohe Staatsverschuldung und große Leistungsbilanzdefizite aufweisen, würde eine massive Krise auslösen. Aufgrund der Abwertungen würden die Staatsschulden in nationaler Währung anwachsen und diesen Staaten steigende Schuldendienstleistungen bescheren. Gleichzeitig würden die Finanzmärkte höhere Zinsen für die Staatsanleihen verlangen. Der zu erwartende starke Zinsanstieg und die steigenden Schuldendienstlasten würden diese Staaten zu einer harten Sparpolitik zwingen, gleichgültig, ob sie links oder rechts regiert werden. In den aufwertenden Staaten wie Deutschland würde ebenfalls in einer Anpassungsphase eine Wachstums- und Beschäftigungskrise einsetzen. Die Wirtschaftskrise, welche die gesamte EU erfasste, würde protektionistische Maßnahmen und eine Abkehr vom Binnenmarkt auf den Plan rufen. Die EU geriete in eine massive Existenzkrise.

Vor dem Hintergrund dieser negativen Perspektiven einer Aufgabe der gemeinsamen Währung fordern wir sechs Radikalreformen, die den Euro und die EU dauerhaft stabilisieren würden. 1. statt Austeritätspolitik eine expansive, nachhaltige Wirtschaftspolitik, 2. eine Ausgleichsunion, die effektive Maßnahmen zur Überwindung der großen Leistungsbilanzungleichgewichte ergreift, 3. eine gemeinsame Schuldenpolitik, die durch Eurobonds und einen Tilgungsfonds zum Abbau der Staatsschulden beiträgt, 4. eine Sozialunion, die Indikatoren und Instrumente für eine gemeinsame Beschäftigungspolitik, eine gemeinsame Lohn- und Einkommenspolitik und eine gemeinsame Politik der sozialen Sicherungssysteme zum Inhalt hat, 5. eine Politik der harten Regulierung der Finanzmärkte, welche Spekulationsblasen an den Aktien-, Anleihe- und Immobilienmärkten die Luft abschnürt, und 6. eine demokratisch gewählte und kontrollierte europäische Wirtschaftsregierung, welche die Währungsunion durch eine gemeinsame Fiskalpolitik komplettiert.
Die in Europa um sich greifenden Re-Nationalisierungstendenzen sind aus politischen, ökonomischen und sozialen Gründen verhängnisvoll. Der Nationalstaat hat bereits im 19. Jahrhundert seine Janusköpfigkeit gezeigt. Er war einerseits Vehikel für die Demokratiebewegungen, hat aber andererseits schon sehr früh seine expansionistischen und imperialistischen Züge offenbart (Napoleons Eroberungskriege, Bismarcks Einigungskriege, Kolonialismus und Imperialismus).

Heute ist der Nationalstaat nicht in der Lage, die globalen Probleme der Wirtschafts- und Finanzkrisen, des Klimawandels, der Migrationsbewegungen und des Terrorismus zu bewältigen. Die Welt braucht weniger Nationalstaat und mehr internationale Kooperation sowie internationale Organisationen, wie die EU, um diese Aufgaben zu bewältigen. Statt sich ins Fahrwasser der Re-Nationalisierung zu begeben, muss die Linke für den Erhalt des europäischen Einigungswerks kämpfen und sich den neoliberalen und den rechtspopulistischen Zerstörern Europas in den Weg stellen!

Klaus Busch / Axel Troost /Gesine Schwan / Frank Bsirske /Joachim Bischoff /Mechthild Schrooten / Harald Wolf
Europa geht auch solidarisch! Streitschrift für eine andere Europäische Union
88 Seiten, November 2016, EUR 7.50, ISBN 978-3-89965-745-6

Bestellbar im VSA Verlag unter  http://www.vsa-verlag.de/nc/buecher/detail/artikel/europa-geht-auch-solidarisch

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Der Nobelpreis für Literatur erinnert an ein besseres Amerika

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von Uwe-Karsten Heye

Diese Norweger haben es geschafft, mit der Preisverleihung an Bob Dylan an einen Amerikaner zu erinnern, der dazu beitrug, gegen den hässlichen, von Kriegsverbrechen gezeichneten Vietnamkrieg mit seinen poetischen Liedern Kräfte zu mobilisieren, die in Indochina den längsten Krieg der Neuzeit nach 15 Jahren beenden halfen. Er war der Poet einer Generation, die – jedenfalls auf Zeit – das Beste erkennbar machte, was diesem Land verfügbar war: eine widerständige junge Generation, die weltweit ein Vorbild war, und den Generälen die Gefolgschaft verweigerte. „Make love not war“ wies den Weg aus der Sackgasse der verlorenen Ehre der USA. Sie hatten tonnenweise die chemische Waffe Agent Orange auf Vietnam regnen lassen.

Es war die Macht des gesungenen Wortes – „times are changing“, die den Gezeitenwechsel einer auf das Militärische reduzierten Außenpolitik des Henry Kissinger in Gang brachte und den Sturz des Präsidenten Richard Nixon über Watergate beflügelte. Bob Dilan, der Song-Poet, der Lyrik in Noten setzt und zeigte, wie viel Kraft sich aus künstlerischer Transformation entwickeln kann.

Die Begeisterung, die der Nobelpreis für Bob Dylan nicht nur in Europa ausgelöst hat, kommt zu einer Zeit, da die USA erneut an einer Bruchlinie stehen, die von Donald Trump gezogen wird. Er ist der schäbige Vertreter eines entfesselten Kapitalismus`, der wie der Ziehvater der kleinkriminellen Anführer der „europäischen Patrioten“ in Dresden wirkt. Die dem christlichen Abendland nachweinenden Montagsmaler des Untergangs finden sich aber derzeit an vielen Orten der Welt. Auch in Europa.

Gott bewahre uns davor, dass diese Geisteshaltung auch noch das waffentechnisch bestgerüstete Land der Welt unter seine Fuchtel nehmen kann. Dagegen steht ein Amerika, das es immer wieder geschafft hat, nicht vollends aus der Kurve getragen zu werden. Bob Dylans wunderbare Lyrik, seine aufmerksamen Texte und seine bis in das fünfundsiebzigste Lebensjahr reichende kritische Haltung gegenüber falschen Tönen haben ihm zu vielen Preisen verholfen, Grammies und den Oskar und jetzt den Nobelpreis.

Die Weisheit der norwegischen Jury für den diesjährigen Nobelpreis für Literatur ist geradezu preiswürdig. Sie wird sich begnügen müssen und können mit dem weltweiten Beifall für eine Entscheidung, die ermutigt daran zu glauben, dass der blaue Planet trotz der ihn immer wieder gefährdenden Menschheit überleben wird.

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Restart Europe Now! – Initiative für ein solidarisches Europa

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Die Europäische Union steht vor den größten Herausforderungen ihrer Geschichte. Seit Jahren befindet sich ihre Wirtschaft in einer Krise aus Stagnation und Arbeitslosigkeit. Gleichzeitig suchen hunderttausende Menschen an den Grenzen Europas Zuflucht vor Krieg und Verfolgung. Den europäischen Staaten ist es bis heute nicht gelungen, darauf mit nachhaltigen Lösungsstrategien zu antworten. Die strikte Sparpolitik hat die Wirtschaft Südeuropas nicht beleben können und die Abschottung gegen die Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen basiert auf einem wackeligen Abkommen mit der Türkei. Man droht mit dieser Politik die Werte in Frage zu stellen, auf deren Basis die Europäische Union einst gegründet worden ist und die sie in der Welt einzigartig machen.

Ziel der Initiative: Europäisches Bewusstsein in der deutschen Öffentlichkeit

Als Antwort auf diese katastrophale Fehlentwicklung hat sich „Restart Europe Now!“ gegründet. Das Ziel dieser Initiative ist es, innerhalb der deutschen Öffentlichkeit ein europäisches Bewusstsein zu schaffen. Die Bundesrepublik muss erkennen, dass ihre politische und ökonomische Stärke ihr nicht nur Anerkennung verleiht, sondern für sie zugleich auch Verpflichtung ist. Wir müssen verstehen lernen, dass unser Wohlstand abhängig von der Stabilität und sozialen Sicherheit unserer Nachbarländer ist. Politik im Interesse Deutschlands muss daher heute immer auch im Interesse Europas gedacht werden.

Überparteiliches Gründungsmanifest

„Restart Europe Now!“ ist überparteilich organisiert. Gegründet aus einem Kreis von Sozialdemokraten, Grünen, Linken und Parteilosen kooperieren wir mit allen Kräften, die unsere Forderungen unterstützen und rufen dazu auf, unser Gründungsmanifest zu unterzeichnen. Über die Presse, die sozialen Medien und unsere Webseite restart-europe-now.de werden wir uns ab sofort zu Wort melden. Wir werden Fehlentwicklungen in der deutschen Europapolitik kritisieren und konkrete Vorschläge für alternative Strategien einbringen, die im Einklang mit den Werten unserer Gesellschaft eine nachhaltige Lösung der Krisen Europas bieten.

Die Europäische Union braucht einen Neuanfang. Doch dieser kann nur gelingen, wenn Deutschland sich aktiv einbringt. Dass dies erreicht wird, dazu wollen und werden wir beitragen.

Erstunterzeichnerinnen und Erstunterzeichner sind u.a.:

Gesine Schwan, Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission
Franziska Brantner, MdB Bündnis 90/Die Grünen
Peter Eigen, Gründer und Vorsitzender des Beirats Transparency International
Detlev Ganten, Präsident des World Health Summit
Dierk Hirschel, Gewerkschaftssekretär ver.di
Reiner Hoffmann, DGB Bundesvorsitzender
Gustav Horn, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen
Gerhard Schick, MdB Bündnis 90/Die Grünen
Ralf Stegner, stellv. Parteivorsitzender der SPD sowie Fraktions- und Landesvorsitzender der SPD Schleswig-Holstein
Axel Troost, MdB und stellv. Parteivorsitzender DIE LINKE
Antje Vollmer, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages a.D.
Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin a.D.
Harald Wolf, MdA DIE LINKE und Senator a.D.